Erstcheck-Ergebnisse in Thüringen

Der Museumsverband Thüringen e.  V. hat sein Erstcheck-Projekt zu kolonialen Kontexten an fünf Thüringer Museen erfolgreich beendet und ausgewertet. Der sogenannte Erstcheck, eine wissenschaftliche Vorprüfung von Museumsbeständen hinsichtlich einer möglicherweise problematischen Herkunft, wurde vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert und vom Museumsverband Thüringen e.  V. begleitet.

Die Ethnologin und Provenienzforscherin Hannah Romstedt forschte sechs Monate lang an der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz, im Stadtmuseum Gera, im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg in Rudolstadt, im Deutschen Spielzeugmuseum Sonneberg und im Naturkundemuseum Mauritianum Altenburg nach außereuropäischen Museumsbeständen. Ziel war es zu klären, ob es an diesen Museen Sammlungsbestände aus kolonialen Kontexten gibt und ob weiterführender Forschungsbedarf besteht.

Insgesamt sind im Zuge des Projektes mehr als 2.200 außereuropäische Objekte sowie 42 menschliche Überreste dokumentiert worden. Davon wurden ca. 32 Prozent einem vermuteten Unrechtskontext zugeordnet. Für ca. 63 Prozent ist hingegen offen, ob es sich um problematische bzw. gewaltvolle Erwerbsumstände handelt. Dies betrifft vor allem Objekte, die aus formalen Kolonialherrschaften stammen oder die noch keiner Herkunftsregion oder Gruppe zugeordnet werden konnten. Hannah Romstedt hielt zudem erstmals zahlreiche Biografien von beteiligten Personen in kolonialen Kontexten aus Thüringen fest, zum Beispiel von Militärangehörigen, Kolonialbeamten, Geschäftsleuten und Sammlern. Im Anschluss an den Erstcheck sollen nun Folgeprojekte, die einer vertieften Untersuchung dienen, durch die Museen selbst und mit Unterstützung durch die Koordinierungsstelle Provenienzforschung beim Museumsverband Thüringen e.  V. erarbeitet werden.

In einigen Museen wurden die Forschungsergebnisse bereits umgesetzt: In Greiz wurde eine Vitrine mit einem „pustaha“, einem Zauberbuch des Volkes der Batak aus Indonesien, eingerichtet. Ähnliche pustaha wurden in den teilnehmenden Museen in Gera und Rudolstadt identifiziert. Sie werden in wissenschaftliche Datenbanken aufgenommen.

Für die Ambo-Puppe der Ovambo aus Namibia im Deutschen Spielzeugmuseum bleiben die Erwerbsumstände zunächst ungeklärt. Im Rahmen der Dauerausstellung wurde sie als eine Urform einer Puppe dargestellt. Im Zuge des Erstchecks konnte jedoch eindeutig nachgewiesen werden, dass es sich um ein Fruchtbarkeitssymbol handelt. Das Museum nahm daraufhin die Ambo-Puppe aus der Ausstellung heraus und arbeitet an einer neuen Konzeptionierung.

Besonders viele Objekte außereuropäischer Herkunft beherbergt das Naturkundemuseum Mauritianum Altenburg. Hier befinden sich zum Beispiel Gegenstände der OvaHerero aus Namibia, für die ein gewaltvoller Erwerb sehr wahrscheinlich ist, und vieler weiterer Herkunftsgesellschaften aus der ganzen Welt. Um die Umstände des Erwerbes zu klären, kann auf umfangreiche Aktenbestände und Korrespondenzen zurückgegriffen werden. Der Museumsleiter Mike Jessat möchte hierfür schnellstmöglich ein eigenes, langfristiges Projekt einleiten.

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8. Dezember 2023