Deutsches Zentrum Kulturgutverluste lädt zu Gesprächsreihe mit Nachfahr:innen jüdischer Kunstsammler:innen
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste lädt im Rahmen des Festjahrs „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ zu einer digitalen Gesprächsreihe mit Nachfahr:innen jüdischer Kunstsammler:innen.
Jüdische Kunstsammler:innen haben das kulturelle Leben in Deutschland über Jahrhunderte hinweg mitgeprägt – in der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie entrechtet und verfolgt, ihre Sammlungen sind oft bis heute verschollen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste unterstützt Nachfahr:innen jüdischer Sammler:innen dabei, ihrem verlorenen Erbe nachzuforschen. Im Rahmen des Festjahrs „Jüdisches Leben in Deutschland“ berichten sie selbst von ihrer Suche: Adam Ganz, Hagar Lev und Dodi Reifenberg sprechen in einer digitalen Gesprächsreihe am 30. August sowie am 13. und 27. September 2021 über die Rekonstruktion verlorener Sammlungen, erzählen Familiengeschichten und beleuchten ihr eigenes Verhältnis zu Deutschland im Jahr 2021.
30. August, 18 Uhr: Adam Ganz
Am 30. August, 18 Uhr, spricht Adam Ganz mit der Provenienzforscherin Nathalie Neumann und der SWR-Journalistin Marie-Christine Werner über seinen Urgroßvater Felix Ganz, dessen Kunstsammlung er in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz rekonstruiert. Im Rahmen des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts wird die private Kunstsammlung des Teppichhändlers aus Mainz erforscht, der bedeutende Werke aus dem byzantinischen, islamischen und ostasiatischen Kulturkreis zusammengetragen hatte und im Stadtleben von Mainz eine wichtige, heute weithin vergessene Rolle spielte. Felix Ganz und seine zweite Frau Erna wurden 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet, von der Kunstsammlung fehlt jede Spur.
Adam Ganz lebt in London und lehrt als Professor im Department of Media Arts an der Royal Holloway University of London und Associate Researcher am Holocaust Research Institute. Er erarbeitet derzeit mit dem Imperial War Museum eine akustisch-mediale, künstlerische Umsetzung der Erinnerung an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg.
Nathalie Neumann ist deutsch-französische Kunsthistorikerin und bearbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der JGU Mainz das Forschungsprojekt.
Hinweis: Das Gespräch findet in deutscher Sprache statt.
13. September, 18 Uhr: Hagar Lev
Am 13. September, 18 Uhr, spürt Hagar Lev im Gespräch mit der Kunsthistorikerin Emily Bilski der Geschichte ihres Urgroßvaters Karl Adler nach. Der Münchner Fabrikant sammelte Werke der zeitgenössischen Avantgarde. Er wurde 1938 im Konzentrationslager Dachau ermordet, seiner Frau Emilie gelang die Flucht nach Palästina zu ihren Kindern. Die mindestens 130 Kunstwerke aus dem Besitz der Adlers sind seither verschollen. In einem Projekt, das vom Zentrum gefördert wird, forscht Hagar Lev in Zusammenarbeit mit der Provenienzforscherin Dr. Vanessa Voigt dem Verbleib der Sammlung stellvertretend für die Nachfahr:innen von Karl Adler und seiner Frau Emilie nach.
Hagar Lev wuchs in Israel auf, arbeitet in der IT-Branche und lebt heute in Leipzig.
Emily D. Bilski ist Kunsthistorikerin und war unter anderem für das Jüdische Museum München als Kuratorin tätig („Die ‘Moderne Galerie‘ von Heinrich Thannhauser“, „Nichts als Kultur – Die Pringsheims“, „Die Kunst- und Antiquitätenfirma Bernheimer“).
Hinweis: Dieses Gespräch wird in englischer Sprache geführt.
27. September, 18 Uhr: Dodi Reifenberg
Am 27. September, 18 Uhr, führt “Tagesspiegel”-Kulturredakteurin Nicola Kuhn ein Gespräch mit dem Künstler Dodi Reifenberg und der Autorin und Juristin Julia Albrecht. Reifenberg ist ein Nachkomme der wohlhabenden Berliner Familie Ginsberg, der die Schriftstellerin Gabriele Tergit in ihrem großen Familienroman „Effingers“ ein Denkmal gesetzt hat. In zwei vom Zentrum geförderten Projekten erforschen Reifenberg und Wissenschaftler:innen der TU Berlin zwei Kunstsammlungen aus der jüdischen Bankiers- und Unternehmerfamilie. Ein Projekt widmet sich der Adolph-von-Menzel-Sammlung von Ludwig Ginsberg, der damals wohl größten Menzelsammlung in Privatbesitz. Ginsberg selbst starb 1939 verzweifelt in Berlin, seine Sammlung ist heute zum größten Teil verschollen. In einem zweiten Projekt wird die wertvolle Ostasiatica-Sammlung von Herbert Ginsberg rekonstruiert, die 1942 in den Niederlanden von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden war. Herbert Ginsberg und seine Frau Olga, geb. Lachmann, überlebten untergetaucht in den Niederlanden, die rund 900 Stücke umfassende Sammlung ist zum größten Teil verloren. Auch eine weitere Sammlung der Familie, die islamische Sammlung von Max Ginsberg, ist verschollen, auch ihr Verbleib soll künftig erforscht werden. Aus der weitverzweigten Familie Ginsberg konnten sich nur wenige Mitglieder vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten retten.
Dodi Reifenberg lebt als Künstler in Berlin. Julia Albrecht betreut das Rechercheteam als Projektleiterin und begleitet die Arbeit dokumentarisch.
Hinweis: Das Gespräch findet in deutscher Sprache statt.
Festjahr: Im Jahr 2021 leben Jüdinnen und Juden nachweislich seit 1.700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Aus diesem Anlass wird das Festjahr „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ mit bundesweit rund 1000 Veranstaltungen ausgerichtet und von der Bundesregierung unterstützt. Ziel ist es, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen und dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. Nähere Informationen: https://2021jlid.de
Die Veranstaltungen finden als Videokonferenz statt. Die Teilnahme ist kostenfrei, jedoch nur nach Anmeldung bis zum Vortag möglich. Die Teilnehmer:innen erhalten am Tag der Veranstaltung die Zugangsdaten.
Zu den Terminen erhalten Sie jeweils separate Einladungen. Wir bitten Sie herzlich, uns mitzuteilen, zu welchem Gespräch wir Sie jeweils begrüßen dürfen.
Mit Ihrer Anmeldung und der Teilnahme erteilen Sie dem Veranstalter die Erlaubnis, während der Veranstaltung Foto-, Film-, Ton- und Videoaufnahmen zu machen und diese Aufnahmen im Zusammenhang mit der Veranstaltung für die Öffentlichkeitsarbeit und die Dokumentation, analog und digital, zu verwenden (nach § 22 KunstUrhG). Der Veranstalter erhebt, verarbeitet und nutzt Ihre personenbezogenen Daten im Rahmen der Wahrnehmung der satzungsgemäßen Aufgabe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.