Ort: Kulturforum Berlin
Veranstalter: Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin; Deutsches Historisches Museum
Partner: Stadtmuseum Berlin | Kompetenzstelle DeKolonisierung und Erinnerungsort Kolonialismus
Sprache: Englisch und Deutsch
Call for Papers: Juni–August 2025
Werbung durchzieht die moderne Lebenswelt: Täglich werden wir in Medien und Stadträumen mit bunten Bildern überflutet, die zum Konsum animieren sollen. Durch ihre Omnipräsenz brennen sich Werbemotive ins kollektive Gedächtnis. Es entsteht ein reicher Bildfundus, der wiederum eine zentrale Strategie der Werbung bedient: Wiedererkennung. Sich permanent selbst zitierend, perpetuiert Bildwerbung visuelle Muster, die oft bis zu ihren Anfängen vor 150 Jahren zurückreichen – zu einer Epoche also, die in Europa und Nordamerika von imperialistischem Denken und Handeln geprägt war. Der neue Alltagsluxus, den das späte 19. Jahrhundert den kapitalistischen Industrienationen brachte – vom Kakao für Automatenschokolade bis zum Gummi für Autoreifen –, basierte auf weltweitem Importhandel sowie ausbeuterischer Rohstoffgewinnung und Praxis in kolonisierten Ländern. Dies spiegelt sich in den Bildern der frühen Werbung, ebenso wie die wachsende Sehnsucht nach „Exotik“ und der weiten Welt, die mit Kultur- und Freizeitangeboten von Zoo, Völkerschau und Museum bis hin zur Fernreise befriedigt wurde. Beides – globale Warenpalette und expansiver Kulturkonsum – findet sich noch heute in Bildwelten und Narrativen der Werbung, in der weiterhin Kaffeebauern gegen ihre Unterbezahlung anlächeln und Kreuzfahrtschiffe an weißen Palmenstränden anlegen. Auch exotisierende, sexualisierte, diskriminierende und rassistische Stereotype haben sich hartnäckig als Überbleibsel einer kolonialistischen Bildsprache gehalten, etwa in Form von „Schoko-Magiern“ mit Turban oder spärlich bekleideten „Hula-Tänzerinnen“.
Symposium
Das zweitägige Symposium spürt den Ursprüngen kolonialer Narrative in Bildwerbung aus der Hochphase des Kolonialismus um 1900 sowie ihren Entwicklungen im 20. und 21. Jahrhunderts nach. In etwa zwölf Vorträgen sollen Evidenzen kolonialer Kontexte in internationalen bildbasierten Werbemedien der 1860er- bis 2020er-Jahre (Grafik, Fotografie, Bewegtbild) aus geschichts-, bild- oder sozialwissenschaftlicher Sicht analysiert werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage nach Kontinuitäten: Jeder Vortrag führt Beispiele aus der zeitgenössischen Kommunikationslandschaft an, um Historisches auf sein Fortwirken hin zu beleuchten und sammlungsorientierte Betrachtungen über die Grenzen des Konvoluts hinaus zu erweitern. Auch bewusste Brüche mit dem Fortschreiben unreflektierter Muster können thematisiert werden. Zwei Podiumsdiskussionen bringen weitere aktuelle, auch gesellschaftliche Perspektiven ins Spiel. Damit werden die tiefgreifenden Effekte und Nachwirkungen des Kolonialismus in der visuellen Kommunikation dargestellt und ein Beitrag zur dekolonialen Auseinandersetzung mit Sammlungsgut und Alltagskultur geleistet.
Hintergrund
Das Symposium „Sture Muster: Kolonialnarrative in der Bildwerbung“ wird von drei Berliner Museen veranstaltet, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten Werbegrafik und Plakate gesammelt haben und weiter sammeln. Anlass der gemeinsamen Initiative war ein dekoloniales Forschungsprojekt, das 2022–2024 an der Sammlung Grafikdesign der Kunstbibliothek durchgeführt wurde: Bei der Inventur von 3.800 frühen Werbeplakaten wurden 240 Motive der Jahre 1854–1914 identifiziert, deren koloniale Bezüge in der Folge untersucht wurden. Es zeigte sich, dass zahlreiche Bildmuster der Werbung vor dem Ersten Weltkrieg bis heute fortwirken. Das Symposium erweitert das Thema chronologisch über 1914 hinaus bis in die Jetztzeit, und institutionell über die museale Perspektive hinaus. Es soll nicht allein um Museumssammlungen gehen, sondern um alle Wirkungsbereiche der Bildwerbung, von Magazin und Litfaßsäule bis LED, TV und Internet. Forscher*innen jeder Disziplin sind explizit zum Einreichen eines Beitrags eingeladen, ebenso Vertreter*innen von Berufsfeldern, die auf praktischer Ebene mit Werbekommunikation zu tun haben (z. B. Legislative, Gestaltung, Marketing).
Auftakt im Stadtraum
Werbung ist ein prägendes Alltagsphänomen in allen Kommunikationsräumen – von der privaten Mediennutzung bis zum städtischen Umfeld. Ziel der Veranstaltung ist es, die Untersuchungen über das wissenschaftliche Vortragsprogramm hinaus nach außen zu öffnen, um so die Aktualität und Relevanz des Themas zu verdeutlichen. Den Auftakt des Symposiums bilden drei kurze, in Zusammenarbeit mit der Kompetenzstelle DeKolonisierung der Stiftung Stadtmuseum entwickelte Ortsbesuche, die Spuren kolonial geprägter Bildwerbung oder Firmenkommunikation im öffentlichen Raum nachgehen und Perspektiven von außerhalb des eurozentrischen Narrativs einbringen. Berlin – als Großstadt mit kolonialistischer Vergangenheit – ist für eine solche Spurensuche besonders geeignet.
Beispiele für Fragen an die historische und aktuelle Bildwerbung:
⎯ Wie werden koloniale Theorie und Praxis in visuelle Narrative übertragen, welche Muster und Tropen kommen dabei zum Einsatz?
⎯ Wann, wo und wie entstehen Bildformeln, die Machtstrukturen und hierarchische Vorstellungen von weißer Überlegenheit ausdrücken?
⎯ Wie lassen sich Rassismus, Diskriminierung, Objektivierung, Sexualisierung und Exotismus decodieren, welche Entstehungskontexte stehen jeweils dahinter?
⎯ Wie erklärt sich der Anstieg von Kolonialschauen und kolonial gelabelten Produkten in Deutschland nach 1918, insbesondere nach 1933? Wie manifestiert sich die Sehnsucht nach („verlorenen“) Kolonien und kolonialer Herrschaft in Bildern?
⎯ Spiegeln sich Kolonialnarrative auch in Bildproduktionen ehemals kolonisierter Länder?
⎯ Wie erklärt sich das lange und wirkmächtige Nachleben von Stereotypen? Was sagen Kontinuitäten von Bildmustern über die globalen Zusammenhänge von imperialistischem Kolonialismus und zeitgenössischem Kapitalismus aus?
⎯ Wie ist aktuelle Wahlwerbung, die mit Formen des Otherings arbeitet, einzuordnen?
⎯ „Provokation“ und „Humor“ in der Werbung – wer lacht über wen, und wie lange schon?
⎯ Welche Rolle spielen Beratung, Zensur und Kontrolle in der zeitgenössischen Werbung? Lassen sich diskriminierungskritische Ansätze juristisch forcieren?
⎯ Wie kann künstlerische und aktivistische Intervention in Prozessen der Sichtbarmachung und Evaluation mitwirken?
⎯ Lassen sich koloniale Bilderwelten dekolonisieren?
Ablauf
Das Symposium findet am Freitag, 21. November und Samstag, 22. November 2025 jeweils ganztägig 10–18 Uhr statt. Tagungsort ist der Vortragssaal am Kulturforum, Staatliche Museen zu Berlin. Es handelt sich um eine Präsenzveranstaltung ohne Übertragung im Internet; Vorträge werden im Nachgang nicht online gestellt. Ergebnisse des Symposiums werden in Form von Textbeiträgen und einem künstlerischen Video dokumentiert.
Das Symposium ist öffentlich, die Teilnahme mit vorheriger Anmeldung kostenlos.
Anmeldezeitraum (für Nicht-Referent*innen):
10.09.–18.11.2025 (bzw. solange wie Plätze verfügbar sind)
Per E-Mail an
Das Symposium beginnt nach der Begrüßung am Kulturforum mit drei Stadtrundgängen, von denen Teilnehmende jeweils einen auswählen. Zurück im Vortragssaal folgen rund 12 Kurzvorträge und zwei Podiumsdiskussionen, verteilt auf zwei Tage. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch; Simultanübersetzung wird kostenlos angeboten.
Das Symposium beginnt nach der Begrüßung am Kulturforum mit drei Stadtrundgängen, von denen Teilnehmende jeweils einen auswählen. Zurück im Vortragssaal folgen rund 12 Kurzvorträge und zwei Podiumsdiskussionen, verteilt auf zwei Tage. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch; Simultanübersetzung wird kostenlos angeboten.
Einreichung und Konditionen
Wir freuen uns über Vorschläge von potenziellen Referent*innen aus unterschiedlichsten Forschungs- und Aktivitätsbereichen. Proposals können bis zum 1. September über das bereitgestellte Formular eingereicht werden. Eine formlose Bewerbung ist nicht möglich.
Vorträge dauern max. 20 Minuten und werden von einer Bildpräsentation begleitet. Sie können auf Deutsch oder Englisch gehalten werden, live vor Ort oder digital als Aufnahme. Videos müssen bis zum 14.11. bereitgestellt werden, Präsentationsdateien bis zum 19.11.
Im Formular bitten wir Sie um eine Beschreibung ihres Vorhabens in max. 2.000 Zeichen (inkl. LZ) und eine Kurzbiografie in Fließtextform. Sie können Ihr Proposal bei Bedarf auch mit Bildern unterstützen. Dazu schicken Sie bitte eine PDF-Datei (max. 5 Bilder, max. 5 MB) zusammen mit dem Formular. Pro Person kann nur ein Proposal berücksichtigt werden.
Die Auswahl der Vortragenden erfolgt durch das wissenschaftliche Team. Jeder ausgewählte und gehaltene Vortrag wird mit €400 honoriert. Referent*innen, die aus über 50 km Entfernung zu Berlin anreisen, erhalten eine pauschale Entschädigung für Reise-, Verpflegungs- und etwaige Übernachtungskosten. Diese Pauschale beträgt €200 innerhalb Deutschlands und €400 für das europäische Ausland. Außereuropäische Reisekosten werden nach Bedarf verhandelt. Alle Buchungen müssen von Referent*innen selbst übernommen werden. Eine kostenfreie Bewirtung vor Ort können wir nur teilweise anbieten.
Weitere Informationen: CFP_INFO_Symposium-Kolonialnarrative-Nov2025_dt+engl
Proposal: CFP_PROPOSAL_Symposium-Kolonialnarrative-Nov2025_dt+engl