Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen

  • 2010 bis 2012 aus Mitteln des Instituts für Ethnologie finanzierte systematische Erschließung und Erforschung der wechselvollen Erwerbsgeschichte der Ethnographischen Sammlung Łødź: Ursprünglich zum Bestand des Archäologischen und Ethnographischen Museums der polnischen Stadt Łødź gehörend, gelangten 1940 im Rahmen einer Tauschvereinbarung zwischen dem Bevollmächtigten des Generaltreuhänders zur Sicherstellung des Kunst- und Kulturgutes in Łødź, Dr. Walter Frentzel (1892-1941), und dem Direktor des Leipziger Museums für Völkerkunde, Dr. Fritz Krause, (1881-1963) circa 1298 Ethnographika nach Leipzig. 1942 in eine Kaufaktion umgewandelt, erwarben neben Leipzig und Göttingen auch die Direktoren der Völkerkundemuseen in Köln und Hamburg aus der Sammlung Łødź Teilsammlungen. Im April 1967 wurde die Leipziger Teilsammlung in einem polnischen Staatsakt in der Polnischen Botschaft in Ost-Berlin an das Archäologische und Ethnographische Museum in Łødź restituiert. Die Kölner Teilsammlung kam Quellenvergleichen zufolge offenbar nie in Köln an. Sie gilt nach einem schweren Bombenangriff auf das Leipziger Grassi-Museum als verschollen. Die für Hamburg bestimmte Teilsammlung wurde 1942 zunächst nach Lautenthal im Harz in ein Fabrikgebäude, das als Ausweichlager für Bestände des Hamburger Völkerkunde-Museums diente, ausgelagert. Am 12. April 1945 wurde auf Befehl des Orts-Kampf-Kommandanten der SS ein vor dem Gebäude mit explosiven Stoffen beladener Funkwagen in Brand geschossen als der Einmarsch der Amerikaner bevorstand. Durch den Übergriff des Feuers auf das angrenzende Fabrikgebäude wurden alle dort lagernden Hamburger Museumsbestände der Vernichtung preisgegeben. Somit gewährt einzig die Göttinger Teilsammlung der Ethnographischen Sammlung Łødź einen aufschlussreichen Blick auf polnische und deutsche Zeitgeschichte, die im Verlauf des Jahres 2016 zukunftsgerichtet einer Restitution entgegensehen kann. Die dokumentierten Erkenntnisse dieser Provenienzrecherche von Beate Herrmann M. A. sind in der Lost Art Datenbank registriert, und wurden analog durch die Koordinierungsstelle Magdeburg 2012 dem Auswärtigen Amt auf Grundlage des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages von 1991 übermittelt.
  • Februar bis August 2012 kurzfristige Förderung durch die Arbeitsstelle für Provenienzforschung Berlin für das Projekt „Auf den Spuren von NS-Raubgut in der Bibliothek des Instituts für Ethnologie der Georg-August-Universität“
  • 2016-17 von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste Magdeburg gefördertes langfristiges Projekt “Erwerbungen im Licht neuer Provenienzrecherchen. Der Afrika-Bestand der Ethnologischen Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen von 1933 bis 1958”: Die Eckdaten für den Untersuchungszeitraum schließen den Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 und die Pensionierung des ersten Ordinarius für Völkerkunde in Göttingen, Hans Plischke (1890 bis 1972), ein. Universitäre Schlüsselpositionen und die Bündelung von wissenschaftlichen und politischen Ämtern kennzeichnen seine Vita und flossen neben der Etablierung des Faches nachhaltig in den Führungsstil des Instituts und der Ethnographischen Sammlung ein. Die Aufarbeitung und Dokumentation, insbesondere auch die der Nachkriegs- und 50er Jahre, steht im Mittelpunkt zur Klärung der Frage, inwieweit durch Ankauf, Schenkungen und Nachlässe sowie über Zweit- und Drittkontakte seiner Netzwerkverbindungen Objekte zweifelhafter Herkunft, speziell in den Sammlungsbestand Afrika, eingingen. Im Fokus der Nachforschungen stehen derzeit 171 Namen, die entsprechender Angaben auf Inventarkarten zufolge zwischen 1933 und 1958 zum Ausbau des Afrika-Bestandes beitrugen; weitere Informationen zu den genannten Projekten finden Sie hier: www.kulturgutverluste.de/ethnologisches-institut-der-georg-august-universitaet-goettingen
  • 2018-21: Partner des vom Landesmuseum Hannover koordinierten und von der VolkswagenStiftung geförderten Verbundvorhabens “Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen” (PAESE): An der Georg-August-Universität sind zwei Teilprojekte, am Ethnologischen Institut und der Ethnologischen Sammlung, sowie am Lehrstuhl für Neuere Geschichte am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, angesiedelt. Sie werden durchgeführt von Sara Müller und Hannah Feder. Vgl. PAESE.com, Handelwege und Netzwerke – PAESE und Sammeln und Lehren – PAESE
  • Dezember 2020 bis Februar 2021: Kurzfristig vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördertes Projekt “Tjurungas in der Ethnologischen Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen”: Die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität besitzt nach aktueller Zuschreibung (Stand: 2020) 16 sogenannte tjurungas australischer Aborigines aus unterschiedlichen Erwerbungszusammenhängen. Nach Vorstellung der Aborigines stehen tjurungas in Verbindung mit der mythischen Traumzeit. Sie definieren verwandtschaftliche Zugehörigkeiten und können Landrechte markieren. In der Wissenschaft werden diese Gegenstände als „sensibel“ bzw. als „secret-sacred“ klassifiziert. Es handelt sich um Artefakte, die in der Urhebergesellschaft als „heilig“ betrachtet werden und zugleich bestimmten Tabus unterliegen. Das Projekt untersucht die Provenienz dieser sechzehn Objekte. Es wertet dazu in Göttingen und Berlin (Ethnologisches Museum) vorhandene Archivalien sowie wissenschaftliche Literatur aus. Ziel ist es, über Sammlerbiografien und Objektwege eine genauere Einordnung der vorhandenen tjurungas zu ermöglichen. Ein Kontakt zu Vertretern der Herkunftsgesellschaften besteht und soll weiter ausgebaut werden. Die im Projekt recherchierten Informationen sollen einen „informierten Dialog“ mit Vertretern der Herkunftsgesellschaften ermöglichen (vgl. auch https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Forschungsfoerderung/).
  • 2021-2023: Drittmittelprojekt “Die neue Brisanz alter Objekte. Erschließung unbearbeiteter Konvolute in der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen”. Ein Schwerpunkt des Projektes liegt auf der Untersuchung von Objekten aus kolonialen Kontexten aus dem westlichen Afrika. Darüber hinaus zählen weitere Forschungen zum vorhandenen Objektbestand der Ethnologischen Sammlung in Vorbereitung der neuen Dauerausstellung zu den Projektzielen. Das Projekt wurde im Rahmen der Förderlinie Pro*Niedersachsen bewilligt (1.4.2021-31.3.2023). Wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Ndzodo Awono, M.A., DEA.
  • Herrmann, Beate: Die Göttinger Ethnographische Sammlung Łødź, in: NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium, Frankfurt am Main 2012, S. 241-257