CfP: Die Museen und der französische Kunstmarkt

Digitale Konferenz: „Die Museen und der französische Kunstmarkt während der deutschen Besatzung“

Während des Zweiten Weltkriegs deckte sich nicht nur die NS-Elite wie Hitler, Göring oder Ribbentrop im besetzten Paris mit Kunst für ihre Sammlungen ein, sondern auch viele Museen tätigten hier Erwerbungen. Denn dank des vorteilhaften Wechselkurses und eines großen Angebots qualitätsvoller, zum Teil aus beschlagnahmtem jüdischem Besitz stammender Objekte, bot der dortige Markt außergewöhnlich günstige Bedingungen, von denen auch sie profitieren wollten. So wählten viele Museumsdirektoren und Sammlungsleiter direkt vor Ort Kunstwerke zum Ankauf aus oder erwarben sie indirekt über deutsche Kunsthändler. Teilweise agierten dafür mehrere Museen einer Stadt oder Region gemeinsam. Die Museen zählen damit zu den wichtigsten Akteuren auf dem Pariser Kunstmarkt und trugen maßgeblich zu dessen Dynamisierung während der Besatzung bei.

Nach dem Krieg erwirkte die französische Regierung mit dem Verweis auf die “London Declaration“ von 1943, die alle Eigentumsübertragungen an Deutsche während der Besatzung für ungültig erklärte, die Rückgabe dieser Erwerbungen. So gelangte ein Großteil der Kunstwerke wieder nach Frankreich, wo sich viele davon heute im sogenannten MNR-Bestand (Musées Nationaux Récupération) in Nationalmuseen befinden. Seit einigen Jahren werden die Provenienzen dieser lange Zeit vergessenen Werke erforscht, wodurch zahlreiche von ihnen inzwischen restituiert werden konnten. Doch auch in deutschen Museen befinden sich noch einzelne Objekte, die während des Krieges auf dem Pariser Kunstmarkt angekauft wurden oder nach dem Krieg über Umwege in ihre Sammlungen gelangten und deren Provenienzen sich im Rahmen von Einzeluntersuchungen oftmals nicht genau rekonstruieren lassen. Eine offene Frage der Forschung ist zudem, welche Objekte die französischen Museen selbst während der Besatzung angekauft haben und woher diese stammen.

Ziel des Workshops ist es, die in den letzten Jahren im Rahmen der Provenienzforschung an deutschen, österreichischen, schweizer und französischen Museen sowie in sammlungs- und personengeschichtlichen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zu Erwerbungen im besetzten Frankreich systematisch und transnational zusammenzutragen. So sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Aktivitäten von Museen auf dem Pariser Kunstmarkt während der Okkupation vergleichend betrachtet werden, um die Erwerbungsstrategien und Marktmechanismen besser verstehen zu können. Neben den Umständen, unter denen diese Translokationen stattfanden, gilt es ebenso, den Umgang mit diesen Objekten nach dem Zweiten Weltkrieg in den verschiedenen Ländern und die damit verbundenen Diskurse zu beleuchten.

Beiträge können u.a. folgende Themen behandeln:

– Ankaufs- und Sammlungsstrategien von Museen
– Überschneidung von Kunstraub und Kunsthandel
– Kunstmarktentwicklung während der Besatzungszeit und die Rolle der deutschen Besatzungsbehörde für dessen Regulierung
– Finanzierung, Genehmigung und Transport der Ankäufe
– Deutsche und französische Akteure (Händler, Museumsdirektoren, Funktionäre) und ihre Netzwerke auf dem Pariser Kunstmarkt
– Umgang mit den Erwerbungen in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg

Ursprünglich als Veranstaltung in Berlin geplant, wird die Konferenz als Reaktion auf die Corona-Epidemie am 8./9. Oktober 2020 nun digital stattfinden. Ein angepasstes Konzept ist unter Berücksichtigung der aktuellen Erfahrungen des virtuellen Arbeitsumfeldes in Vorbereitung und wird den TeilnehmerInnen rechtzeitig bekanntgegeben. Wir sehen in diesem neuen digitalen Format auch eine Chance, die Beiträge einem größeren Publikum zugänglich zu machen, und gemeinsam aus der Krise heraus neue innovative Wege für den länderübergreifenden Wissenschaftsaustausch zu entwickeln. Eine spätere Veröffentlichung der Beiträge ist geplant.

Wir bitten um die Einsendung von Beitragsvorschlägen für 20-minütige Vorträge in einem Umfang von 300 Worten sowie einem kurzen Lebenslauf bis zum 30. Juni 2020 an und . Die Exposés können auf Deutsch, Englisch oder Französisch eingereicht werden.

Artikel-Informationen

3. Juni 2020